Prof. Dr. med. Alexander Klug.
Was ist?Die vorliegende Studie von Zeltser et al. analysiert in einer retrospektiven Kohortenstudie innerhalb des US-amerikanischen Gesundheitssystems mögliche Unterschiede zwischen Loose-fit- und Press-fit-Stems im Hinblick auf die Revisions- und Reoperationsrate nach Radiuskopfendoprothetik. Die Untersuchung umfasst dabei insgesamt 1575 Patienten und erstreckt sich über einen Zeitraum von 12 Jahren. Sie stellt somit eine der bislang größten klinischen Analysen zu diesem Thema dar. Die Autoren fanden abschließend keinen signifikanten Unterschied hinsichtlich der Revisions- oder Reoperationsrate zwischen beiden Implantattypen. Die kumulierte 8‑Jahres-Revision (definiert als implantatassoziiertes Prozedere) betrug 2,6 % für Loose-fit- und 3,5 % für Press-fit-Prothesen, wobei die adjustierte Hazard Ratio (HR) für Revision bei 0,78 (95 %-Konfidenzintervall [KI]: 0,41–1,46) lag. Auch in der Analyse der Reoperationsrate blieb der Unterschied ohne Signifikanz (HR: 0,73; 95 %-KI: 0,43–1,25). Interessanterweise zeigte die Subgruppenanalyse von Patienten mit gleichzeitigen ipsilateralen Eingriffen eine ähnliche Tendenz: Obwohl die Loose-fit-Gruppe eine geringere Revisionsrate (2,7 % vs. 3,6 %) aufwies, war auch hier kein statistisch signifikanter Unterschied festzustellen (HR: 0,62; 95 %-KI: 0,28–1,38).
Die klinische Relevanz dieser Ergebnisse liegt v. a. in der Frage, ob die Wahl des Stemdesigns tatsächlich einen Einfluss auf das Langzeitergebnis hat oder ob andere Faktoren, wie beispielsweise chirurgische Technik, Patientenfaktoren und Implantatplatzierung, eine größere Rolle spielen. Die Studie suggeriert, dass die Entscheidung zwischen Loose-fit- und Press-fit-Prothesen dabei in erster Linie auf der Verfügbarkeit des Implantats und der persönlichen Erfahrung des Operateurs basieren.
Allerdings gibt es einschränkend mehrere Limitationen, welche berücksichtigt werden sollten, um die präsentierten Ergebnisse bestmöglich bewerten zu können. Wenngleich es sich hier um eines der größten Studienkollektive handelt, muss jedoch deutlich darauf hingewiesen werden, dass insbesondere die fehlende Stratifizierung hinsichtlich der Verletzungsart, der Implantationstechnik und -qualität, die fehlende Differenzierung hinsichtlich weiterer Prothesencharakteristika (Polarität, Schaftlänge etc.) sowie die fehlenden funktionellen Ergebnisse der Studie leider nur eine begrenzte Aussagekraft für unseren klinischen Alltag geben.
Was war?Dabei ist die Diskussion, welcher Prothesentyp mit den besten Ergebnissen für den Patienten assoziiert ist, letztlich so alt wie die Radiuskopfendoprothetik selbst. Über die letzten Jahrzehnte hinweg wurden zahlreiche Systeme entwickelt, welche sich hinsichtlich ihres Materials, Polarität, Modularität, Schaftlänge und eben auch des Verankerungsdesigns unterscheiden. Bisher jedoch konnte in der Literatur kein signifikanter Vorteil des einen oder anderen Implantats gezeigt werden, wobei die Evidenzlage durch die kaum vorhandenen Studien mit prospektiv vergleichenden Studiendesigns als eher gering einzuschätzen ist. Lediglich die Anwendung von Silikonspacern scheint insgesamt mit einer erhöhten Revisionsrate assoziiert zu sein, weswegen schon vor Jahren hiervon Abstand genommen wurde.
Die Frage nach der „besseren“ Verankerungstechnik (press-fit vs. loose-fit) ist dabei von besonderem Interesse, da sie den Aspekt beinhaltet, was die eigentliche Bedeutung einer Radiuskopfprothese ist. Auf der einen Seite findet man die Vertreter des „Loose-fit“-Designs, welche die sog „Spacer“-Theorie des Radiuskopfes vertreten und dabei darauf hinweisen, dass das Implantat lediglich einer Platzhalterfunktion gleichkommt, welcher nur so lange erforderlich ist, bis der ligamentäre Apparat ausgeheilt ist. Gleichzeitig kann eine Loose-fit-Prothese mögliche Inkongruenzen und kleinere Instabilitäten (ähnlich einer bipolaren Prothese) leichter ausgleichen [1]. Auf der anderen Seite befinden sich die Vertreter der biomechanischen Konzepte der allgemeinen Endoprothetik analog zu anderen Gelenken wie Hüfte, Knie oder Schulter, welche ein mehr der ursprünglichen Anatomie angelehntes „Press-fit“-Design befürworten.
Bisher konnte jedoch keine Überlegenheit eines der beiden Verfahren wissenschaftlich valide belegt werden.
Die Ergebnisse der präsentierten Studie bestätigen somit die Daten der vorhandenen Literatur, wobei die bisher größte Metaanalyse von Heijink et al. [2] sogar Revisionsraten von bis zu 29 % beschreibt. Allerdings zeigt sich international in den vergangenen Jahren ein zunehmender Trend zur Versorgung mittels Loose-fit-Prothesen, möglicherweise aufgrund der vermuteten geringeren Revisionsraten [3] im Vergleich zu einer rigiden Fixierung [4]. Dabei stellt sich jedoch immer die Frage, ob nicht eher eine unzureichende Implantationstechnik das eigentliche Problem darstellen könnte, da rigide Fixationen sicherlich kleinere technische Fehler in der Implantation schlechter kompensieren können.
Zudem muss zwingend darauf hingewiesen werden, dass die meisten Revisionen aufgrund von Schmerzen und Steifheit (häufig im Rahmen von Lockerungen) durchgeführt werden, was auch die vorliegende Arbeit bestätigen kann. Interessanterweise ist dabei in vielen Fällen jedoch nicht die Lockerung an sich das Problem, sondern vielmehr die mit der Implantation verbundenen biomechanischen Veränderungen, die zu Schmerzen oder Instabilität führen. Dabei ist ein zentraler Kritikpunkt die Frage, ob radiologische Zeichen einer Lockerung immer mit klinischen Symptomen korrelieren. Studien zeigen, dass radioluzente Linien und Lockerungssäume sowohl bei Loose-fit- als auch bei Press-fit-Stems auftreten, aber nicht zwangsläufig zu einer funktionellen Beeinträchtigung führen. Daher gilt es immer zu unterscheiden, ob es sich um eine Situation von „pain with loosening“ oder eben um ein „painful loosening“ handelt. Diese Unterscheidung ist mitunter nicht leicht und wird häufig von einer starken Forderung nach chirurgischem Handeln von Patientenseite begleitet. Ring [5] rät daher in den meisten Fällen zu einem abwartenden Vorgehen, insbesondere innerhalb des ersten Jahres nach Gelenkersatz, sofern keine objektiven Revisionsgründe, wie z. B. Overlengthening oder Implantatbruch vorliegen. Auch in der vorliegenden Arbeit wurde der Großteil der Prothesen bereits innerhalb des ersten Jahres revidiert, wobei nur in einem geringen Anteil (ca. 20 %) objektivierbare Gründe, wie eine Infektion, Implantatdissoziation oder Overstuffing vorlagen. Die meisten Reoperationen wurden jedoch aufgrund einer persistierenden Steife durchgeführt, welche sich erfahrungsgemäß auch noch nach einem Jahr signifikant ohne operativen Eingriff verbessern kann.
Was bleibt?Da es bisher keine klare Evidenz für die Überlegenheit eines Implantattyps gibt, sind meiner Ansicht nach die Art der Verletzung, die chirurgische Technik, die korrekte Implantatgröße sowie die exakte Positionierung weitaus entscheidendere Faktoren für ein gutes postoperatives Outcome. Im Vergleich zu anderen Gelenken ist die Radiuskopfendoprothetik dabei die am meisten operateurabhängige Form des Gelenkersatzes. Während bei ersteren heutzutage millimetergenaue „cutting-guides“, „patient-specific implants“ sowie Navigationsverfahren eine immer präzisere Implantation der Prothese ermöglichen, spielen diese Aspekte in der Radiuskopfendoprothetik (bisher) noch kaum eine Rolle [6]. Dabei sind ein Großteil der Komplikationen jedoch bei genauerer Analyse auf operationstechnische Probleme (Overlengthening, Overstuffing, persistierende Bandinstabilitäten etc.) zurückzuführen. Aus diesem Grund sollte ein viel größeres Augenmerk auf die kritische Indikationsprüfung im Vorfeld der Behandlung, die genaue Analyse des vorliegenden Verletzungsmusters, standardisierte Implantationsmethoden und Qualitätsindikatoren sowie Nachsorgeprotokolle gelegt werden.
Zudem sind größere multizentrische Studien mit prospektiv randomisierten Behandlungsdesigns zwingend notwendig, um den aktuellen Evidenzgap im Bereich der Radiuskopfendoprothetik zu schließen. Diese müssen jedoch eine klare Differenzierung zwischen funktionellem Outcome sowie möglichen Ursachen für eine Revision ermöglichen.
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